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Ehrwürdige Gäste in der Hauptstadt der Literatur

Es mag fast kühn erscheinen, literarische Veranstaltungen in die Stadt Heinrich Heines, Bertolt Brechts und Herta Müllers zu tragen. Doch gerade in Berlin stößt das Interesse daran, baskischsprachige SchriftstellerInnen kennenzulernen, auf offene Ohren. Deshalb lädt der Euskal Etxea sie so oft wie möglich ein – und manche von ihnen verbindet sogar eine ganz besondere Beziehung zu dieser Stadt.

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n Berlin gibt es über dreihundert unabhängige Buchhandlungen – ganz zu schweigen von den großen Ketten. In den letzten Jahren hat die Hauptstadt damit einem andernorts weitverbreiteten Trend getrotzt: Hier öffnen mehr kleine Läden, als dass sie schließen. Wer durch die Parks spaziert, erkennt es sofort: Berlin liest. Und wie eh und je bringt die Stadt auch heute noch zahlreiche Schriftsteller hervor.

Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, auch der baskischen Literatur in Berlin eine Bühne zu geben. Die Veranstaltungen sind zwangsläufig klein, doch das Wagnis lohnt sich. Denn sie ziehen ein aufmerksames Publikum an: Berlinerinnen und Berliner, die Baskisch lernen, ebenso wie Neugierige, die die Sprache nicht verstehen, sie aber hören und erleben wollen.

Anjel Lertxundi, Aingeru Epaltza, Karmele Jaio, Edorta Jiménez, Harkaitz Cano, Danele Sarriugarte, Iñigo Astiz, Angel Erro, Mikel Peruarena Ansa, Kirmen Uribe – für den Euskal Etxea war es eine große Freude, sie alle in die deutsche Hauptstadt einzuladen. Ebenso unvergesslich war die Begegnung, bei der Gedichte aus Gabriel Arestis 'Harri eta herri' mit Texten von Brecht verwoben und den BerlinerInnen präsentiert wurden.

In Danele Sarriugartes „Erraiak” hat Berlin seinen Platz. Es ist auch ein wichtiges Element in Irati Elorrietas Werk.

Danele Sarriugarte zog einst zum Studium nach Berlin, wo auch Irati Elorrieta, Mitglied der Euskal Etxea, geblieben ist. Beide hielten 2015 im Kulturzentrum K77 eine Lesung. Berlin spielt eine zentrale Rolle in Sarriugartes Roman 'Erraiak', ebenso wie in Elorrietas 'Neguko argiak'. Nachdem ihr Werk ausgezeichnet wurde, der Euskal Etxea hat nun eine Gewinnerin des Euskadi-Literaturpreises unter ihren Mitgliedern – ein seltenes Privileg!

Auch der ehemalige Euskal-Etxea-Mitglied und Verleger Lander Majuelo trug seinen Teil dazu bei: 2022 stellte er in Berlin W.G. Sebalds 'Austerlitz' vor. An seiner Seite waren Idoia Santamaría, die dem Baskischen mit ihrer herausragenden Übersetzung ein besonderes Geschenk gemacht hat, sowie Uwe Schütte, ausgewiesener Kenner der Literatur und insbesondere des Werks von Sebald.

Hans-Joachims Engagement

Die GründerInnen des Euskal Etxeas sind auch literarisch begabt. Hans-Joachim Wilk, der viele Jahre als Sekretär des Vereins tätig war, hat Lertxundis 'Domingos letzte Wette' und Jiménez 'Der Lärm der Grillen' ins Deutsche übersetzt. Darüber hinaus arbeitete er als Übersetzer für andere Sprachen in der Demokratischen Republik und erlernte später mithilfe von drei in Berlin lebenden BaskInnen die Sprache. Ohne Hans-Joachims bemerkenswerte Hartnäckigkeit wäre der Euskal Etxea heute nicht dasselbe, und die baskische Sprache hätte ein weiteres Fenster zur Welt weniger.

Die Planung von Literaturveranstaltungen in baskischer Sprache in einer großen ausländischen Stadt bringt einige Herausforderungen mit sich. Zunächst muss das passende Format für das Werk gefunden werden, das präsentiert werden soll. Da der Euskal Etxea über keinen eigenen Veranstaltungsort verfügt, ist sie auf die Kooperation verschiedener Einrichtungen angewiesen, um eine Bühne zu bekommen. Die größte Herausforderung ist jedoch die Übersetzungen: Deutsch ist keineswegs eine einfache Sprache, und Texte ins Baskische zu übertragen, erfordert sorgfältiges Arbeiten.

Damit Werke baskischer AutorInnen in Deutschland Verbreitung finden, ist langfristiges Denken ebenso entscheidend wie die Bereitstellung der nötigen Ressourcen. Das Engagement einzelner Personen – (Petra Elser sei an dieser Stelle besonders erwähnt – ist bewundernswert, doch ohne angemessenen Schutz wird diese Mission unweigerlich scheitern. Auch die Übersetzungen in die andere Richtung, also aus dem Baskischen in Fremdsprachen, verdienen dringend einen spürbaren Schub.

Baskische Lieder in den Feuerfeldern

Im Jahr 1915, mitten im Ersten Weltkrieg, begann die Preußische Phonographische Kommission mit der Aufnahme der Stimmen von Gefangenen in deutschen Lagern. Darunter befanden sich auch baskische Soldaten, die in den Reihen der französischen Armee gekämpft hatten. Seit den 1990er Jahren werden diese Aufnahmen von zwei Berliner Institutionen – dem Ethnologischen Museum und der Humboldt-Universität – aufbewahrt. Nach einem langen Prozess sind die Aufnahmen der baskischen Gefangenen nun der Öffentlichkeit zugänglich, unter anderem über die Website  mintzoak.eus. Die Arbeit der Anthropologin und Euskal-Etxea-Mitglieds Lourdes Izagirre Ondarra war entscheidend dafür, dass diese wertvollen Aufnahmen ins Baskenland gelangten. 2016 präsentierte Izagirre die Tonaufnahmen im Ethnologischen Museum in Dahlem. Begleitet wurde sie von Mikel Peruarena Ansa, der Auszüge aus seinem eindrucksvollen Roman 'Su Zelaiak' (Feuerfelder) über die baskischen Soldaten des Ersten Weltkriegs vorlas.